Als ich den Schritt in die Selbständigkeit und damit in die Unabhängigkeit und Freiheit gewagt habe, fühlte sich das erstmal verdammt gut an!
Ich war voller Energie. Sicher in meinem Entschluss. Aufgeregt, über das, was da wohl kommen würde. Zuversichtlich, meine Herausforderungen bewältigen zu können.
Endlich machen, was ICH will!
Klingt gut, oder?
Ist nur gar nicht so einfach!
Plötzlich fehlt dir nämlich der rote Faden. Tagtäglich musst du dich auf einmal fragen, was du eigentlich willst.
„Mach ich das? Oder dies? Und wie gehe ich vor?“
Das kann nerven. Das kann sooo anstrengend sein.
Denn: Ich wusste ganz oft nicht, was ich will. Es war vorher so einfach: Viele meiner Entscheidungen liefen automatisch, mein Handlungsspielraum war eingeschränkt. Und im Job war das selbständige Entscheiden sowieso nach oben gedeckelt.
Ich stehe nicht auf Patentrezepte nach „Schema F“. Aber so manches Mal habe ich mir in den letzten Monaten jemanden gewünscht, der mir sagt, was ich tun soll!
Ernsthaft, ÜBERALL ist mir auf einmal das Thema begegnet. Selbst in meiner Beziehung habe ich festgestellt, dass ich STÄNDIG Entscheidungen treffen muss. Und mit einem kleinen Kind musste ich nochmal mehr Entscheidungen treffen – und zwar für jemand anderen (der mir das alles dann spätestens in der Pubertät um die Ohren haut …).
Manchmal ist mir dann die Puste ausgegangen.
Doch ich wusste: Wenn ich nicht entscheide, dann tut das jemand anderes für mich! Oder es passiert gar nichts, ich komme also nicht voran.
Tatsächlich glaube ich, dass deine Entscheidungskompetenz darüber bestimmt, ob du deinen Traum wirklich umsetzt. Ob du dran bleibst. Ob du ihn dir erfüllst.
Denn viel zu oft setzen wir darauf, dass jemand anderes für uns handelt. Weil wir denken, dass „die anderen“ unsere Wünsche und Bedürfnisse erfüllen (müssen). Das nur sie es können. Sogar, dass wir das gar nicht dürfen: Uns für uns selbst entscheiden. Uns unsere Bedürfnisse und Wünsche selbst erfüllen!
Im ersten Moment ein bequemer Weg. Wir lagern die Entscheidungen einfach aus.
Doch er hat seinen Preis: Deine Unabhängigkeit und Entwicklungsmöglichkeit
Du musst immer darauf hoffen, dass jemand deine Bedürfnisse erfüllt. Wenn das nicht passiert (oder nicht so, wie du es gerne gehabt hättest), entstehen häufig Schuldzuweisungen, Scham und Ärger („der andere verweigert mir etwas Essenzielles, dafür verdient er Strafe“). Du bist in der Warteposition, passiv, und findest dich häufig in der Opferrolle wieder („ich kann ja nicht, weil man mich nicht lässt“), dein Einflussbereich ist klitzeklein.
Ja, in deiner Entscheidungsstärke liegt der größte Hebel für das Erreichen deiner Ziele. Er bedeutet für mich ein hohes Maß an Selbst-Verantwortung.
Und das ist wiederum ein Knackpunkt: Manchmal wiegt diese Verantwortung ganz schön schwer.
Ich habe festgestellt, dass ich es vermeide, eine Entscheidung zu treffen, weil ich Angst vor der Konsequenz hatte.
Die Angst, sich „falsch“ zu entscheiden, kann eine echte Hürde sein.
Was, wenn meine Entscheidung alles noch schlimmer macht?
Bei solchen Gedanken lohnt es sich, genau hinzuschauen. Meiner Meinung nach gibt es fünf Gründe für „falsche“ Entscheidungen:
- Du triffst keine wirklich unabhängige Entscheidung
- Du lässt dir zu VIEL Zeit für Entscheidungen
- Du lässt dir zu WENIG Zeit für Entscheidungen
- Du suchst dir die falschen Entscheidungs-Helfer
- Du triffst die Entscheidung, ohne deine genaue Motivation zu kennen
Lass uns da mal genauer drauf schauen!
1. Du triffst keine wirklich unabhängige Entscheidung
Hier gibt es ZWEI Formen der Abhängigkeit.
1. Die erste Form der abhängigen Entscheidung: Die Unterordnung. Du handelst so, wie es andere tun.
Wann immer du dich entscheiden sollst, orientierst du dich nach dem Verhalten anderer. Was tun diese? Was erwarten sie? Wie handeln sie? Du richtest dich nach ihnen. Die Grundlage deiner Entscheidung ist nicht dein Wille. Du übernimmst bereits getroffene Entscheidungen. Du bist fremdbestimmt.
Tragisch ist hierbei auch, dass du oft lediglich annimmst, dass gewisse Personen diese Erwartungen an dich haben – ohne das genau zu prüfen.
Das ist dir bestimmt schon längst klar, oder? Es gibt allerdings noch eine Form der abhängigen Entscheidung – die finde ich wirklich tricky:
2. Die zweite Form der abhängigen Entscheidung: Die Rebellion. Du handelst ENTGEGENGESETZT dem, wie es andere tun.
Die Anti-Haltung. Du kannst es auch Trotz nennen.
Wenn alle anderen „links herum“ sagen, rennst du rechts rum. Auf ein „Nein“ reagierst du mit einem klaren „Ja“ und versuchst, deinen Kopf durchzusetzen. Dein Programm ist Protest. Und immer das Gegenteil von dem, wie „die anderen“ (oder eher: Dein Feindbild) sich entscheidet. Du willst „alles anders machen“. Du hast ein klares „weg-von-Ziel“.
Was im ersten Moment nach eigenem Kopf aussieht, ist genauso von fremden Erwartungen und Forderungen bestimmt, nur halt entgegengesetzt.
Und das macht es so schwierig, zu erkennen, dass auch dies nicht deine eigene Entscheidung ist.
Ich habe etwas gebraucht, um mir darüber klar zu werden. Erst einige Zeit nach meiner Kündigung zB habe ich festgestellt, dass es mir durchaus Freude macht, mit Unternehmen zusammen zu arbeiten (und nicht nur mit Privatpersonen). Das hatte ich zuerst total abgelehnt. Weil ich es in meinem Job davor gemacht habe. Jetzt ist mir klar, dass ich einfach nur „rebellieren“ wollte. Ich brauchte diesen Abstand, um dann mit einer größeren Klarheit eine wirklich unabhängige, selbstbestimmte Entscheidung treffen zu können.
Fast lässt sich sagen: Abhängige Entscheidungen sind noch nicht mal Entscheidungen. Es sind eher Einbahnstraßen. Sackgassen. Du hast keine wirkliche Wahl, sondern kannst nur bereits vorgegebene Wege abnicken oder eben ablehnen.
2. Du lässt dir zu VIEL Zeit für deine Entscheidungen
Mal eine Nacht drüber schlafen? Das ist absolut sinnvoll, wenn du vor einer großen Entscheidung stehst. Aber ein-zwei Wochen drüber nachdenken? Oder noch länger?
Würde ich dir nicht empfehlen.
Was du dann nämlich tust, ist deine Zweifel wachsen zu lassen. Du drehst alles hin und her. Du fängst an, Katastrophenszenarien zu entwickeln. Dieses eigentlich so klare Gefühl zu deiner Entscheidung wird immer diffuser. Deine Energie erlahmt, dein Handlungsimpuls wird schwächer. Du wirst unsicher. Du beginnst, die Entscheidung vor dir her zu schieben „ich brauche noch ein paar Tage“ und langsam, aber sicher verschwindet dein Thema im Hintergrund.
Was du stattdessen tun kannst:
- Setz dir einen klaren Zeitrahmen: Bis wann willst du deine Entscheidung getroffen haben? Welcher Zeitraum ist für dich gut?
- Unterscheide zwischen Entscheidung und Handlung. Nicht immer bedeutet eine Entscheidung auch sofortige Handlung. Nimm deine Kündigung zum Beispiel: Du musst nicht sofort das Schreiben aufsetzen. Es kann ja sein, dass es für dich erstmal gut ist, nach deinem Traumjob zu suchen. Und erst nach 3 Monaten zu kündigen, um in der Zwischenzeit alles vorzubereiten.
(Achtung: Hier besteht die Gefahr, dass du dich selbst austrickst! Wenn du nämlich keine echte Entscheidung getroffen hast: „Klar, kündige ich. In 3 Monaten. Oder in 4. Oder nächstes Jahr. Vielleicht.“. Auch hier hilft es, dir ein konkretes Zeitfenster zu setzen.)
3. Du lässt dir zu WENIG Zeit für deine Entscheidung.
Ich bin absolut fürs Bauchgefühl. Und das trifft Entscheidungen innerhalb kürzester Zeit. Allerdings ist es trotzdem manchmal gut, sich Zeit zu lassen. Eben die besagte Nacht darüber schlafen. Oder mit jemanden darüber sprechen (s. auch Punkt 4).
Vor allem aber solltest du dir Zeit nehmen, wenn du unter Stress kommst!
Du kennst das ja: dieses Drückerkolonnen-mäßige „Entscheide sofort, morgen gibt es das Angebot nicht mehr!“ Wenn du unter Reaktionsdruck bist, dann steigt die Gefahr, dass du eine schlechte Entscheidung triffst. Du kannst nicht klar denken, nicht genügend abwägen oder weitere Informationen einholen. Dir fehlt die Orientierung. Zusätzlich bekommst du schnell einen Tunnelblick und siehst nur noch diese eine Option – und vergisst, dass es da noch viele andere Möglichkeiten gibt (dieser Tunnelblick durch vermeintlichen Zeitmangel ist im übrigen durchaus vom Anbieter gewollt …).
Egal was ist (Notfallsituationen mal ausgenommen), JEDE wichtige Entscheidung hat Zeit. Du hast ein einmaliges Jobangebot und sollst sofort zusagen? Wenn sie dich wirklich wollen, werden sie auch noch einen Tag auf deine Entscheidung warten (außerdem hast du so auch gleich Souveränität bewiesen, indem du nicht sofort springst, wenn jemand etwas von dir will)!
4. Du suchst dir die falschen Entscheidungs-Helfer
Du möchtest deine Entscheidung besprechen? Gute Idee! Im Dialog kannst du deinen Gedanken freien Lauf lassen und gleichzeitig hast du – im besten Falle – jemanden an deiner Seite, der dir weitere Perspektiven aufzeigen kann.
Voraussetzung dafür ist immer: DU triffst die Entscheidung.
Achte also darauf, wonach du deine Gesprächspartner auswählst. Erhoffst du dir, dass sie dich bei der Entscheidungsfindung unterstützen, oder sollen sie dir gleich die ganze Entscheidung abnehmen (Stichwort: Alibi-Entscheidung)?
Bedenke auch: Wenn du mit jemanden sprichst, der eher ängstlich ist, kann das einen eben solchen Einfluss auf dich haben. Genauso, wie ein wagemutiges Gegenüber deine bereits entschlussfreudige Haltung verstärkt.
Das bedeutet, dass du mit der Wahl deiner Gesprächspartner bereits eine Entscheidung triffst. Indem du dein Gegenüber so aussuchst, dass es deine Grundeinstellung nur untermauert (du bist selbst eher unsicher und suchst dir einen solchen Menschen aus = du wirst noch unsicherer, und entscheidest dich, das Risiko nicht einzugehen).
Also kläre vorher für dich:
- In welche Richtung tendiere ich gerade mit meiner Entscheidung?
- Was will ich durch das Gespräch erreichen?
- Was hat das für eine Wirkung auf mich, wenn mein Gesprächspartner meine Entscheidung unterstützt – und was, wenn nicht (halte ich das aus?)?
Und das führt uns schnurstracks zum letzten Punkt:
5. Du triffst die Entscheidung, ohne deine genaue Motivation zu kennen
Jede anstehende Entscheidung ist eigentlich eine Frage nach deinen Bedürfnissen.
- Was ist dir wichtig?
- Was brauchst du?
Und hier rede ich wirklich nur von dir. Tu das also auch:
Im ersten Schritt schaust du nur auf dich. Finde raus, was dich wirklich antreibt, was dein Motor ist, was du erreichen willst. Dieses Verständnis ist nicht nur wichtig, um selbstbestimmt zu entscheiden, es ist auch wichtig, wenn du feststellst, dass deine Entscheidung „falsch“ war (dazu später mehr).
Im zweiten Schritt fragst du dich dann, ob es noch Bedürfnisse anderer Menschen gibt, die du beachten willst. Ja, das schließt sich überhaupt nicht aus! Denn häufig sind andere von deiner Entscheidung betroffen. Deine Familie, deine Kollegen usw. Und du wägst nun ab, inwieweit dir diese Bedürfnisse wichtig sind und wie du sie mit deinen zusammenführen kannst. Der Unterschied zur abhängigen Entscheidung ist hier, dass du …
1) dir dieser fremdem Bedürfnisse voll bewusst bist
2) du selbst entscheidest, ob und in welchem Grad diese Einfluss auf dich haben
Ein gutes Zeichen, für eine selbstbestimmte Entscheidung, ist, wenn du mehrere Alternativ-Entscheidungen findest. Eine Entscheidung ist immer eine freie Wahl zwischen mehreren Optionen!
Und ja, sie beinhaltet immer das Risiko, dass etwas schief läuft. Das ist einer der Gründe, warum du dich vll immer noch so schwer damit tust.
Damit das in Zukunft nicht mehr so ist, lies im Fortsetzungs-Artikel, was du tun kannst, wenn du eine „falsche“ Entscheidung getroffen hast.
Anonsten: Schreib mir doch in die Kommentare, wie du mit Entscheidungen umgehst und was deine Herausforderungen (und Tipps!!) dabei sind!
Ich freu mich auf dich,
deine Wiebke