Du musst gar nix! Wie du selbstbestimmte Entscheidungen triffst – 2/2

(dies ist der zweite Artikel zum Thema „Selbstbestimmte Entscheidungen“. Den ersten findest du hier.)

Shit happens.

Und zwar dir gerade?

Denn du hast einen Fehler gemacht? Eine Entscheidung getroffen, die sich nun als „falsch“ herausstellt?

Mist!

Du weißt, was das für dich bedeutet: Du fängst an, dich selbst zu kasteien „Warum habe ich das gemacht? Ich bin so doof. Das war mal wieder typisch ich“.

Deine Selbstzweifel tauchen wieder auf (und du hattest schon gehofft, sie wären endlich weg!). Hallo alte Glaubenssätze: „Ich kann es doch nicht!“

Ich schäme mich in solchen Momenten oft. Mir ist es peinlich, dass ich nicht meinen eigenen (und fremden) Erwartungen gerecht geworden bin.

Früher habe ich solche falschen Entscheidungen überall mit hingenommen. Habe ich in meiner Arbeit einen Fehler gemacht, hat mich das nicht nur den ganzen Arbeitstag begleitet. Nein, wie ein geprügelter Hund bin ich nach Hause geschlichen und habe noch abends im Bett damit gehadert.

Drüber schlafen und dann ist alles gut? Denkste!

Am nächsten Tag bin ich in der gleichen Stimmung wieder zur Arbeit …

Es hat mich genervt, dass ich so reagiert habe. Ich fand es übertrieben und wünschte mir mehr Souveränität – nur konnte ich es nicht abstellen.

Mittlerweile kann ich ganz anders damit umgehen, wenn ich feststelle, dass ich eine „falsche“ Entscheidung getroffen habe.

Ich muss mich nicht mehr als ganze Person in Frage stellen. Ein Fehler ist kein „Beweis“ mehr, dass ich „es eigentlich nicht drauf habe“.

Und das genieße ich! Wenn ich jetzt bemerke, dass etwas schief gelaufen ist, dann FREUE ich mich richtig darüber, dass ich entspannt damit umgehen kann! Diese Freude ist sogar prominenter als die immer noch vorhandene Scham.

Ja, ich sage nicht, dass du komplett frei davon wirst. Das solltest du sogar nicht!

Warum es gut ist, dass du nicht gerne Fehler machst …

Was passiert, wenn du nicht mehr darauf reagierst, wenn du etwas „falsch“ gemacht hast?

Dann bist du egozentrisch. Größenwahnsinnig, im schlechtesten Sinne.

Ja, tatsächlich.

Wenn du komplett kritikbefreit bist, einfach alles großartig findest, was du so produzierst, zeugt das vom Fehlen jeglicher Selbstreflexion. Es fehlt dann an gesunder Selbsteinschätzung. Du pflegst ein Selbstbild, in dem eigene Schwächen und Grenzen nicht vorkommen (dürfen). Gegenläufige Erfahrungen werden vermieden oder einfach heftigst abgestritten. Realität, nein danke!

Wenn du dich im Umkehrschluss für jeden Fehler an den Pranger stellst – dann blockiert dich das. Aus Angst, Fehler zu machen, strebst du zwanghaft Perfektion an, selbst kleinste Schwächen scheinen dir übergroß und du setzt all deine Energie dazu ein, diese zu verstecken oder abzuschwächen. Es ist ein „Kampf gegen die eigene Unvollkommenheit“. Selbstzweifel und Selbstunsicherheit sind stete Begleiter.

In beiden Fällen kommst du nicht weiter. Du erlaubst dir nur wenige (sichere) Erfahrungen, bei denen du davon ausgehen kannst, keine falschen Entscheidungen zu treffen.

… und warum es gut ist, WENN du Fehler machst

Fehler machen zu KÖNNEN, bedeutet die eigenen Wachstumsmöglichkeiten zu sehen – und anzupacken. Du kannst dich selbst realistisch einschätzen: „Ich bin nicht perfekt, ich muss es auch gar nicht sein. Es gibt allerdings wichtige Bereiche, in denen ich mir ein Weiterkommen wünsche.“ Du nimmst dir damit eine Menge Druck und erlaubst dir, dich entwickeln zu können. Denn nur, wenn du dir erlaubst, dich auch mal zu irren, mal eine falsche Entscheidung zu treffen, gehst du über deine Komfortzone hinaus. Nur dann suchst du dir wirklich herausfordernde Erfahrungen, die dich weiterbringen.

Wenn du keine Fehler machst, bedeutet das, du bleibst unter deinen Möglichkeiten!

Das ist genau die Haltung, die du brauchst, um wirklich selbstbestimmt entscheiden zu können. Das ist die Haltung, die du brauchst, um deine Berufung zu leben, deinen Traum umzusetzen!

Denn du wirst auf deinem Weg viele Fehler machen. Deswegen zögerst du ja noch. Weil du Angst davor hast.

Also nochmal in Kurzform:

Es geht NICHT darum, Fehler zu vermeiden.

Es geht NICHT darum, so zu tun, als wenn dir Fehler nix ausmachen.

Es geht um deinen UMGANG mit Fehlern. Entscheidend (hihi, das Wortspiel konnte ich mir nicht verkneifen) was du von dir selbst denkst, wenn du Fehler machst.

Dazu möchte ich dir zwei Ansätze/Herangehensweisen vorstellen. Beide helfen mir persönlich sehr, mit meinen „falschen“ Entscheidungen umzugehen.

  1. Dein Umgang mit Fehlern im Allgemeinen
  2. Dein Umgang mit Fehlern im Konkreten

1. Dein Umgang mit Fehlern im Allgemeinen

Was ist eigentlich das, was du als „falsch“ definierst?

Das ist das Ergebnis deiner Entscheidung: Es sind die Konsequenzen, die aus deinem Entschluss folgen und die für dich und/oder andere negative Auswirkungen haben können.

Wieso sollen Fehler eigentlich falsch sein?

Die meisten von uns haben früh gelernt, dass Fehler nichts Gutes sind. Vielleicht hast du schon als Kind beigebracht bekommen, „dass man bestimmte Dinge nicht macht“. Du wurdest bestraft, wenn du es trotzdem getan hast. In der Schule wurden Noten nach Fehlern vergeben. In deinem Job schließlich gibt es täglich 1000 Situationen, in denen dicke Patzer lauern.

Was ihnen gemein ist:

Der Verstoß gegen soziale Erwartungen und Normen! Und die Denke, dass Fehler ein Zeichen von Schwäche sind.

Wenn ein Fehler offenbar (und öffentlich) wird, reagieren wir meist mit Scham und Schuldgefühlen, manchmal auch mit Ärger. Denn tief in uns ist die Erfahrung verankert, dass „etwas falsch machen“ sanktioniert wird. Folgerichtig versuchen wir, Fehler zu vermeiden. Wir übernehmen diese Einstellung, verinnerlichen sie. Das hilft uns dabei, die „Spielregeln“ unserer Gesellschaft einzuhalten. Leider wird dadurch oft aus „ich habe etwas falsch gemacht“ ein „ich bin falsch“.

Eine falsche Entscheidung und du stehst quasi nackt vor allen anderen da. Alle sehen deine Verfehlung, dein Scheitern.

Gerade in der Arbeit wird oft von Fehlerkultur gesprochen – und diese selten gelebt.

Kennst du das, wenn jemand (ein Kollege bspw) einen Fehler macht und du einfach nur erleichtert bist, dass DIR das nicht passiert ist?

Klassisches Anzeichen einer ausbaubaren Fehlerkultur. Im Unternehmen – und bei dir!

In manchen Firmen wird dann erstmal genüsslich auf Demjenigen rumgehackt – oder besonders großmütig so getan, als wenn man ihm den Ausrutscher „verzeiht“.

Insbesondere wenn du in der Situation bist, zuzuarbeiten, also für jemanden eine Aufgabe zu erledigst, findest du dich sehr oft in der Lage wieder, dass jemand deine „Fehler“ bewertet, statt mit dir zusammenzuarbeiten.

Der Umgang mit Fehlern ist hier nichts anderes als eine Machtdemonstration.

Ein guter Hinweis, dass du dort nicht lange arbeiten solltest 🙂 Besonders wenn du anfängst, Fehler zu verstecken oder zwanghaft perfektionistisch wirst! Dann gerätst du nämlich langsam in die Schleife, aus einem „das ist falsch“, ein „ich bin falsch zu machen“ …

(Merke: Der Antrieb im Perfektionismus ist NICHT, etwas besonders gut zu machen, sondern die Angst vor Fehlern!)

Wenn du nun in einer solchen FehlerUNkultur steckst (ob nun in deiner ganz persönlichen oder beruflichen), kannst du dieses hier tun: Verändere deinen konkreten Umgang mit Fehlern.

2. Dein Umgang mit Fehlern im Konkreten

Das hier ist der wichtigste Punkt: Du kannst die Rahmenbedingungen und Strukturen um dich herum nicht (sofort) verändern. Direkten Einfluss hast du aber immer. Nämlich auf dich!

Also: Du hast eine falsche Entscheidung getroffen. Sie hat spürbare negative Konsequenzen. Für dich und/oder andere.

Du haderst mit dir. Du wünschst dir, du hättest es nicht getan.

Im besten Fall übst du Selbstkritik, im schlimmsten Selbstzerfleischung.

Stopp!

Ich möchte dich zu einem anderen Denken hinführen. Und zwar zu diesem – zugegebenermaßen – sehr ungewohnten:

Das, was du getan hast, war das Beste, was du zu dem Zeitpunkt tun konntest!

„Häh? Wie jetzt? Ich hab es doch vermasselt?“

Ja 😉 Ich möchte hier auf eine feine, sehr wichtige Unterscheidung hinweisen:

Vergangenheit und Gegenwart!

Als du deine Entscheidung getroffen hast, hast du diese unter Berücksichtigung all deines Wissens und im Bewusstsein deiner Bedürfnisse und Werte getan.

Das war in der Vergangenheit.

In dem Moment, in dem deine Entscheidung wirksam geworden ist, sich die Auswirkungen gezeigt haben, sind NEUE Informationen und Umstände hinzugekommen, die dir vorher einfach NICHT zugänglich waren.

Das ist in der Gegenwart.

Und das ergänzt den oben stehenden Satz („das Beste, was du tun konntest“):

„Wenn ich damals gewusst hätte, was ich jetzt daraus lerne, hätte ich es anders gemacht.“

Das bedeutet nicht, dass du in der Vergangenheit ein bisschen doof warst. Das bedeutet, dass du in der Vergangenheit wirklich alles unternommen hast, um eine richtig gute Entscheidung zu treffen. Deine Intention war gut!

Und das heißt auch nicht, dass dir die Folgen schnurzpiepe sind. Denn das Ergebnis bedauerst du:

„Wenn ich jetzt die Konsequenz sehe, möchte ich aus dieser Erfahrung lernen, um es das nächste Mal anders zu machen.“

(Merke: Etwas zu bedauern, gibt dir die Möglichkeit, Trauer ausdrücken, statt dich in quälenden, aber nutzlosen Schuldvorwürfen zu verlieren. Dazu vielleicht mal mehr in einem anderen Artikel.)

Ja, du ahnst es schon: Obiges ist eine Haltung. Und wie kommst du dahin? Indem du im Kleinen anfängst. bei jedem Fehler, bei jeder falschen Entscheidung kannst du diese fünf Schritte nutzen:

1. Hör auf, dich fertig zu machen, indem du dich mit Schuldzuweisungen und Selbstvorwürfen zermarterst.

2. Übernimm Verantwortung für das Ergebnis deiner Entscheidung, mit dem Bewusstsein, dass du etwas Gutes bewirken wolltest. Frage dich: „Was wollte ich erreichen? Welche Bedürfnisse wollte ich mir mit meiner Entscheidung erfüllen?“

3. Bedaure, dass dir das nicht gelungen ist. „Welche Bedürfnisse sind unerfüllt? Gibt es vll auch erfüllte?“

4. Was folgt für dich daraus? Frage dich: „Welche Erfahrung habe ich gemacht? Was habe ich gelernt? Was werde ich in der Zukunft bei einer ähnlichen Entscheidung anders machen?“

5. Wie kannst du dir deine unerfüllten Bedürfnisse aus Punkt 3 anders erfüllen? Wie erreichst du dein Ziel trotzdem – oder hat sich dieses durch die Erfahrung verändert?

 

Oh ja, das ist eine ganz andere Denkweise, als du sie wahrscheinlich gelernt hast. Es wird dir zu Beginn vll etwas schwer fallen. Gerade dieser Punkt „das Beste, was ich tun konnte“, war für mich herausfordernd.

Und wahr. Und wohltuend.

Es steckt viel Selbstannahme darin.

Hier schließt sich der Kreis: Du hast es vll schon bemerkt, die fünf Punkte sind die Anleitung zum Absatz „warum es gut ist, WENN du Fehler machst“ zu Anfang des Artikels. Hat sich schön und schlüssig gelesen – und jetzt kannst du ihn für dich als Haltung installieren!

Fühlt sich nur erstmal ungemütlich an.

Und bringt dich weiter.

Du weißt schon, wohin: Zu dir selbst.

Probier es aus. Und lass mich wissen, wie es für dich ist. Ungewohnt, schwierig, leicht? Wirst du nun eine Entscheidung angehen, die schon lange fällig ist? Oder brauchst du noch etwas? Ich freue mich sehr über deinen Kommentar dazu!

Deine Wiebke

P.S. hier findest du nochmal den ersten Teil zum Thema „Selbstbestimmte Entscheidungen“

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Wiebke Rimasch. Coacht, macht und tut – alles für Ihr Lieblingsthema: Gute Arbeit. Weil sie selber weiß, wie es ist, wenn man im falschen Job steckt, – und wie man das ändern kann!  mehr …

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