„Nennen Sie uns drei persönliche Stärken, die Sie auszeichnen!“
Bis hierhin lief das Vorstellungsgespräch eigentlich ganz gut.
„Ääähh, ich arbeite gerne im Team und bin verlässlich“, ein leichtes Schamgefühl kriecht dir den Nacken hoch, „hoffentlich fragen sie jetzt nicht nach Details!“
Zugegeben: Die Frage im Bewerbungsgespräch, welche persönliche Stärken und Schwächen jemand besitzt, ist eigentlich schon ein Oldie. Dennoch wird sie oft gestellt. Du brauchst also eine überzeugende Antwort.
Und zwar dergestalt überzeugend, dass du selbst an deine Stärken glaubst. Und da fängt das Drama an, oder?
Was sind denn eigentlich persönliche Stärken? Und wie findest du deine raus?
Neben deinen Qualifikationen und deinen eher allgemeinen Kompetenzen gibt es da noch die Sahnestücke. Das Können, das dich auszeichnet, dich unverwechselbar macht – und dir Freude bereitet.
Dabei geht es nur am Rande darum, dass du diese Frage im Vorstellungsgespräch beantworten kannst.
Wenn du dir erst für das Bewerbungsgespräch Gedanken über deine Stärken machst, läuft etwas schief!
Denn deine Stärken weisen dir den direkten Weg zu dem Job, der wirklich zu dir passt. Eine Arbeit, in der du dich voll entfalten kannst!
Dafür ist dieser Artikel: Finde (mindestens) drei persönliche Stärken von dir!
Dazu will ich kurz erläutern, wie Stärken entstehen – und welche typischen Missverständnisse damit einhergehen.
Missverständnis Nr. 1 – Jede persönliche Stärke basiert auf einem Talent
Häufig ist der erste Gedanke, dass eine Stärke auf ein Talent, eine Veranlagung zurückgeht. Das stimmt auch – meistens. Genauso gut kann es aber sein, dass du einfach an etwas bestimmten ein großes Interesse hast.
Oder dass du (intuitiv) erkennst, wo eine „Nische“ für dich ist. Wenn du mit Geschwistern aufwächst, kennst du das von klein auf – der Wunsch, einen eigenen Bereich zu belegen, zu beherrschen und damit gesehen zu werden, lässt dich suchen und kreativ werden.
Das wiederholt sich auch im Berufsleben, dort hilft dir diese Herangehensweise, die Aufgaben und Projekte auszusuchen, die dir eine Art Expertenstatus sichern. Das kann sein, dass du dann die „Ideenfinderin“ bist, oder die „Strategin“ – während du in einem anderen Job evtl andere Stärken betonen würdest.
Ich empfehle dir, dich vom Talentbegriff etwas zu lösen. Davon auszugehen, dass du ein klar erkennbares, vorhandenes Talent haben musst, hemmt dich schnell, weil du glaubst, nur dann auch eine Stärke daraus entwickeln zu können.
Sagst du dir bei manchen Aufgaben „Dazu habe ich kein Talent“?
Dann lass das ab sofort. Stattdessen prüfe, ob dich das nicht doch interessiert.
Übrigens bedeutet auch ein deutlich vorhandenes Talent nicht gleich, dass es zu einer Stärke wird:
Missverständnis Nr. 2 – Jedes Talent entwickelt sich automatisch zu einer Stärke
Deine persönliche Stärke ist nichts, was „mal eben so“ entsteht. Du selbst bist diejenige, die dafür sorgen kann, dass aus einem Talent, einem Interesse eine echte Stärke entsteht.
Persönliche Stärken zu entwickeln, benötigt auch Einsatz und Anstrengung. Es geht nicht von heute auf morgen. Es braucht einen Lernprozess (huh, da klopft der Perfektionismus an die Tür!), damit aus deinem Talent oder einer „einfachen“ Kompetenz eine Stärke wird.
Wenn du bspw. als Künstlerin immer drauf wartest, dass dich „die Muse küsst“, wird genau nichts passieren. Oder eben nur wenig. Schau sie dir an, die großen KünstlerInnen – sie alle haben viel Arbeit in ihr Talent investiert. Genauer: Leidenschaft. Auch daran erkennst du eine Stärke: du verfolgst sie leidenschaftlich. Einmal richtig freigelegt, nimmt die Stärke dich regelrecht „in Besitz“ und du versuchst bewusst / unbewusst, sie weiter auszubauen und zu verfeinern. So suchst du bspw gezielt nach Literatur zu deinem Stärken-Thema oder übst stundenlang am Klavier usw.
Es ist also nicht so, dass das alles immer superleicht ist. Aber es wird einfacher sein, dich zu motivieren, dran zu bleiben und langfristig dein Ziel zu verfolgen (klar, es gibt auch immer wieder Durststrecken). Dein Einsatz wird mit einem Flow belohnt, also dem konzentrierten Arbeiten, bei dem du „aufgehst“ und Zeit und Raum um dich vergessen kannst. Dieser Zustand ist ein guter Hinweis auf eine vorhandene persönliche Stärke!
Missverständnis Nr. 3 – Nicht alles ist deine echte Stärke
Ich hatte im Coaching eine Frau, die oft davon sprach, dass sie gut im „Organisieren“ ist. Das sah auch ihr Vorgesetzter so, also bot er ihr eine Stelle in dem Bereich an. Das Problem: Eigentlich hatte sie gar keine Lust darauf.
Als wir dieses „Organisieren“ untersuchten, zeigte sich, dass eigentlich ganz andere Stärken gemeint waren: Problemlösekompetenz, Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Klar, dass da die angebotene Stelle überhaupt nicht passte.
Lass dir also keine Stärke ungeprüft „einreden“ – weder von dir selbst, noch von anderen. Vor allem frage dich immer, welche Aufgaben mit ihr verbunden sind und ob du darauf wirklich Lust hast, dir vorstellen kannst, diese langfristig zu machen und so deine vermeintliche Stärke zur Expertise auszubauen.
Stärken erkennen – so geht es!
Oben habe ich dir bereits 2 Ansatzpunkte gezeigt, an denen du deine Stärken ausmachen kannst.
Wenn du nun grundsätzlich schauen möchtest, hast du eigentlich genau 2 Möglichkeiten, um deinen weiteren Stärken auf die Spur zu kommen:
- Du lässt dir Feedback geben
- Du reflektierst dich selbst
Beide Vorgehensweisen haben ihre Vor- und Nachteile:
Beim Feedback lauert die Gefahr wie oben beschrieben, dass dir jemand eine Stärke zuschreibt, die dir nicht wirklich entspricht. Achte hier also darauf, ob sich das Feedback stimmig anfühlt und ob eine Art Interessenskonflikt besteht. Das ist häufiger mal der Fall, wenn dich bspw Vorgesetzte auf ein bestimmtes Aufgabenfeld „hinentwickeln“ wollen – und du dir nicht klar darüber bist, ob du das wirklich willst. Sei dir letztlich immer bewusst, dass das aber ein Fremdbild ist, also etwas, bei dem die persönlichen Neigungen, Erwartungen und Interessen des Feedbackgebers mit reinspielen.
Der Vorteil im Feedback liegt natürlich darin, dass du zusätzliche Perspektiven gewinnst und so mehr über dich erfährst.
Bei der Selbstreflexion kannst du mit Hilfe von der Analyse deines Lebenslaufs, deiner Interessen und Leidenschaften deinen Stärken näher kommen. Du kannst auch Tests nutzen (Warum die aber mit Vorsicht zu genießen sind, schreibe ich weiter unten). Der Nachteil ist, dass du unter Umständen (ach was: garantiert!) „blinde Flecken“ hast, bei denen du vorhandene Stärken und schlummernde Talente nicht erkennst oder sie kleiner machst.
Die Lösung?!
Kombiniere Fremd- und Selbstbild, um einen aussagekräftigen Überblick zu bekommen. Und dann mach dir klar, dass das eine Momentaufnahme ist. D.h. es in ein-zwei Jahren schon ganz anders aussehen kann.
Dangerzone: Tests und Profilings
Ja, dann gibt es noch die Möglichkeit, einen (teuren) Test zu machen. Die sind ja beliebt. Kennen wir alle aus der Zeitschrift Bravo: „Welcher Kusstyp bist du?“ usw. 😉
So ähnlich aufgebaut sind auch die bekanntesten – und gerade in der Unternehmenswelt – beliebtesten. Zwei echte Klassiker: Der MBTI (Myer-Briggs-Typenindikator) und der DISG (die Anfangsbuchstaben stehen für Dominanz, Initiative, Stetigkeit und Gewissenhaftigkeit / im englischen heißt der Test daher DISC). Ähnlich aussagekräftig wie ein Besuch bei der Wahrsagerin (der wiederum wäre aber zumindest günstiger …). Trotzdem wahnsinnig nachgefragt.
Was mich wahnsinnig aufregt.(merkt man kaum, oder?)
Es gibt auch Tests, die wissenschaftlichen Kriterien genügen. Sind meiner Meinung nach auch mit Vorsicht einzusetzen.
Tests sind irgendwie verführerisch: Kreuze hier an und beantworte dort – und zack! Hier dein Ergebnis, du bist so und so.
Genau das ist das Problem:
Die meisten Tests und Profilings sind statisch, legen fest (u. U. auch, was du vermeintlich NICHT kannst) und engen damit ein. Du übernimmst etwas (das unter Umständen sowieso keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhält) und verharrst „Ich bin so (und bleibe so).“
Veränderung leider nicht möglich. Realitätstestung bleibt meist aus.
So passiert: Eine Freundin, als Abteilungsleiterin in ihrer Firma die einzige Frau unter ihren Kollegen. Gemeinsam im Führungsteam-Workshop werden die Belbin-Rollen genutzt (ein Tool, mit dem die unterschiedlichen Rollen/Funktionen in einer Gruppe untersucht werden sollen, ebenfalls durchaus kritikwürdig). Und, Überraschung: Sie als die einzige Frau ist die Teamplayerin. Weil sie halt einfach mal schaut, wie es den anderen geht. Weil sie mit Kollegen und Mitarbeitern redet …
Schade nur, dass dann keiner mehr aus dem Führungsteam mit ihr zusammen arbeiten wollte. Sie war ja so teamorientiert, kann sich also als Führungskraft nicht durchsetzen …
Wenn du trotz meines kleinen Rants hier einen Test machen willst, empfehle ich dir den StärkenNavigator von Svenja Hofert (deren Buch ich dir auch am Ende empfehle). Mache dir bitte nur bewusst, dass dieser Test nicht die Wahrheit ist, sondern lediglich EIN Anhaltspunkt, eine weitere Perspektive ist, die du zum Entdecken deiner Stärken heranziehen kannst.
So, jetzt geht es aber wirklich los:
Finde 3 persönliche Stärken von dir!
Hier findest du 3 Wege, die du nehmen kannst, um mindestens 3 persönliche Stärken von dir zu finden. Und ich wette, du entdeckst deutlich mehr 🙂 Du kannst diese 3 Wege für dich alleine durchgehen – oder eben wie beschrieben, zusätzlich dir dazu ein Feedback von anderen erbitten.
Stärke Nr. 1: Etwas, was du übersiehst
Manche Dinge können wir richtig, richtig gut. Und das ist das Problem: Weil wir diese Stärke über die Jahre dermaßen ausgebaut haben, fällt es uns so leicht, dass wir das als „normal“ ansehen. Wir denken, dass es allen Menschen so leicht von der Hand geht. Dass das jede/r kann. Und bemerken gar nicht, dass wir eigentlich hier eine totale Stärke besitzen.
Meine liebe Kollegin Maria Ehrenberg hat das diese Woche hier schön beschrieben:
Stärke Nr 2 – etwas, was du total ablehnst – die Anti-Stärke
Es gibt Aufgaben und Tätigkeiten, die rufen in die eher negative Gefühle hervor. Das sind bspw Dinge, mit denen du schlechte Erfahrungen gemacht hast oder die du für moralisch, ethisch fragwürdig hältst.
Vielleicht bist du echt gut darin, etwas zu verkaufen. Es fällt dir leicht, zu überzeugen und Vertrauen aufzubauen. Leider bist du in einer Drückerkolonne gelandet und quatscht den Leuten Zeitschriftenabos auf. Hier stimmt einfach der Rahmen nicht. Du brauchst einen (anderen) Job, in dem du deine Stärken innerhalb deines Werte-Systems einsetzen kannst. Das zeugt übrigens noch von einer anderen (Charakter-)Stärke: Integrität und Authentizität! Wie wäre es also mit einem Job in einer NGO? Auch dort werden Menschen wie du gebraucht, bspw. um andere von ihrer Sache zu überzeugen.
Ich selbst habe schlechte Erfahrungen in der Arbeit als Trainerin gemacht und deswegen lange gemeint, das wäre nichts für mich. Bis ich mich von den daran gekoppelten, schlechten Erfahrungen befreit habe – und ich liebe es (selbstredend bin ich auch stark darin ;))
Stärke Nr. 3 ist etwas, das du an dir total ablehnst
Hier sind wir schon fast im Bereich „blinder Fleck“, denn deine Stärke ist etwas, was du eher als Makel ansiehst – und deswegen sorgsam versuchst, zu verstecken oder loszuwerden. Vielleicht ist das so etwas, wie eine bestimmte Form von Sensibilität oder Empfindsamkeit? Das Problem: In deiner Firma unterhalten sich die Menschen nicht, sondern brüllen sich an? Und du hättest gerne ein dickes Fell?
Na klar, kannste versuchen.
Oder du nutzt deine Stärke. Wie, das habe ich hier beschrieben. Zugegeben, hier kannst du durchaus noch im „Talentstadium“ sein, weil es dir an Gelegenheit zum Ausprobieren fehlte. Macht nichts: Du kannst jetzt prüfen, ob du es zur Stärke ausbaust.
Speziell zum Ausbau und zur Verfeinerung deiner Stärken und Talente habe ich dir ein Sheet, ein Arbeitsblatt erstellt, mit dem du deine Kompetenzen festhältst und die nächsten Schritte festlegst. Denn nur um deine Stärken zu wissen, bringt dich noch nicht weiter:
Persönliche Stärken entdecken – und ausbauen!
Wo willst du hin mit deinen Talenten und Stärken? Welche willst du ausbauen? Wie kannst du das tun?
Ich empfehle dir, deine entdeckten Stärken bspw. in dieses Sheet einzubauen:
Persönliche Stärken zeigen – und ein klares Profil bekommen
Ganz zu Anfang habe ich ja schon beschrieben, was Stärken sind: Dein unverwechselbares Profil. Und was hat ein Profil?
Ecken und Kanten.
Wenn du nun auf dein Sheett schaust, wirst du feststellen: Willst du bestimmte Stärken weiter entwickeln, bist du stärker gefordert, dies auch nach außen deutlich zu machen:
„Ja, ich will dieses herausfordernde Projekt, um meine persönliche Stärke in der eigenverantwortlichen Planung weiter auszubauen“.
„Nein, ich will nicht länger an meiner trockenen Dissertation rumschreiben, weil ich lieber meine Kompetenzen, andere Menschen in Fremdsprachen zu unterrichten, nutzen will.“
Angst vor der eigenen Stärke?
Persönliche Stärken haben auch immer was mit Selbstbewusstsein zu tun! Je geringer das ausfällt, desto weniger wirst du dich in irgendetwas als „stark“ sehen. In diesem Fall ist es nochmal so wichtig, dass du dir über deine Stärken klar wirst – denn genau das gibt dir Selbstbewusstsein zurück und steigert deine Selbstwirksamkeit.
Dich auf deine Stärken zu besinnen, bedeutet, dich zu trauen, den bislang irgendwie vorgegebenen (beruflichen) Weg zu verlassen und deine eigenen Entscheidungen zu treffen.
Das kannst du heute noch tun. Mit meinem Stärken-Sheet ist ein Anfang gefunden. Und dann beginnst du langsam, dafür zu sorgen, dass du deine Stärken immer mehr in deinem Job entfaltest. Bis du sie erfolgreich integriert hast.
Und apropos „erfolgreich“:
"Erfolg hat mit Wiederholung, Dranbleiben, Frustrationstoleranz und Willenskraft zu tun“, schreibt Svenja Hofert in ihrem Buch "Was sind meine Stärken?", das ich dir hier empfehlen möchte. Es hat meinen Artikel inspiriert und es enthält auch mehr Hintergrundfutter zu ihrem Test „StärkenNavigator“.
Viel Freude beim Entdecken und Ausbauen deiner Stärken!
Deine Wiebke
P.S. hier ist nochmal der Link zu dem Stärken-Sheet.