Bienenfleißig, super genau & ständig überfordert – steckst du in der Perfektionismus-Falle?

Perfektionismus und Expertise

Das sind zwei Paar Schuhe. Eine wichtige Unterscheidung, die ich in den letzten beiden Jahren gelernt habe:

Das erste – Perfektionismus – ist wie ein schlecht verarbeiteter 15cm hoher High Heel mit Pfennigabsatz, der dir sofortige Schmerzen verursacht. Ach, und Fußschweiß 😉 Er sieht gut aus, aber Bewegung ist darin nicht möglich. Selbst im Stehen schwankst du noch. Er schränkt dich ein, behindert dich.

Expertise dagegen ist ein gut eingetragener Lederschuh (natürlich auch in veganer Ausführung erhältlich), gepflegt, geliebt. Darin kannst du meilenweit laufen, er fühlt sich am Fuß einfach gut an, du bist beschwingt, statt beschwert und auch für Pfützen und Schlaglöcher gewappnet.

„Häh? Wieso Schuhe?“ Keine Sorge, das hier wird kein Shoppingtrip (tatsächlich habe ich noch nicht mal ein Schuhfaible)

Meine kleine Metapher soll deutlich machen, dass Perfektion eigentlich eine Art Krücke ist, die dir scheinbar etwas gibt, dich tatsächlich aber nicht weiter kommen lässt. Den Perfektionsschuh ziehst du dir an, wenn du glaubst, sonst nicht gut genug zu sein, nicht gesehen zu werden. Du zwängst dich hinein, weil du denkst, dass du irgendwie im Minus bist, einen Mangel (deiner Fähigkeiten, deiner Person) ausgleichen musst.

Wer alles richtig machen will, denkt eigentlich, dass er alles falsch macht

Expertise ist dagegen eine Entwicklung, die von innen heraus passiert. Den Expertise-Schuh wählst du, wenn du vorhast, deinen beruflichen Weg zu gehen. Du ziehst ihn dann an, wenn du etwas vorhast, wenn du ein Ziel erreichen möchtest. Karriere, kannst du es nennen, wenn du damit so wie ich, die bewusste Entscheidung für berufliche Weiterentwicklung meinst. Deinen Expertise-Schuh schnürst du sorgsam, um darin lange und bequem laufen zu können. Je länger du ihn trägst und pflegst, desto besser sitzt er. Du passt den Schuh an dich an – nicht umgekehrt.

Wenn du in etwas gut werden willst, musst du aufhören, es perfekt machen zu wollen

Ob im frischen Projekt, neuen Job oder erster Führungsposition: Es wird nicht alles auf Anhieb klappen. Du wirst Fehler machen. Das ist Lernen.

Hätte ich in den letzten beiden Jahren versucht, erst alles auf perfekt zu trimmen: Website, Blogartikel, Coachings – dann hätte ich nie angefangen. Es wäre nie gut genug gewesen. Mittlerweile habe ich verstanden, das gerade die Dinge, die wirklich wichtig sind, sich in einem (längeren) Prozess ent-wickeln. Einige, die mich schon seit dem Anfang begleiten, werden das wissen.Und wenn du erst jetzt dazu gestoßen bist und meinen Artikel liest: Dann vergleiche diesen doch mal mit meinen ersten Blogposts …

Expertise entwickeln, bedeutet sich das Lernen und Ausprobieren (wieder) zu erlauben

Die Frage ist: Welchen Schuh ziehst du dir (meistens) an? Und warum?

Manchmal kommen zu mir Frauen, die in lange in sehr unbequemen „Job-Schuhen“ steckten. Sie passten nicht, trotzdem zogen sie diese jeden Arbeitstag wieder aufs Neue an.

Sie versuchten, perfekte Mitarbeiterinnen zu sein.

Neben dem Druck, alles gut zu machen (oder eher: keine Fehler zu machen) ist da noch der Glaube, auf den Job wirklich angewiesen zu sein. „Ich bin ja nicht so gut, wer nimmt mich schon?“ ist die heimliche Frage, die ihnen im Kopf rumgeistert.

Und ja: Wir sprechen hier von Frauen mit guten bis exzellenten Abschlüssen, Berufserfahrung etc.!

Für viele Unternehmen sind sie ein gefundenes Fressen. Diese Mischung aus dem Glauben, nicht gut genug zu sein und dem Versuch, das über Leistung wieder auszugleichen: Erste Sahne für so manche Chefs.

Wenn nicht der Perfektionismus dein Problem ist, sondern dein Chef

Ist dein Chef überkritisch, pedantisch, cholerisch, rechthaberisch? Ist es dann das Verhalten deines Chefs, was dich in den Perfektionismus (und Wahnsinn) treibt?

Hat er Schuld?

Wie so oft bekommst du von mir als Antwort ein klares „Ja“ und „Nein“ 😉

Aus meiner eigenen Erfahrung:

Ich war eine solche perfekte Mitarbeiterin.

Ich war überzeugt, dass ich nicht gut genug sei, mich anstrengen müsse – und dass ich quasi froh sein könne, diesen Job gefunden zu haben.

Und mein Chef wusste, welche Knöpfe er bei mir drücken konnte. Denn je unsicherer ich war, desto bemühter wurde ich. Desto mehr versuchte ich, über Leistung meinen vermeintlichen Mangel auszugleichen.

Ich saß in der Falle.

Und diese Falle hatte ich mir selbst gebastelt. Mein Chef hat nur ab und zu den Köder gewechselt, so blieb meine Aufmerksamkeit konstant darauf gerichtet.

Die Ausgänge habe ich nicht wahrgenommen.

Dass der Käfig für mich aber immer enger wurde, das schon.

Vielleicht kennst du das auch: Die Enge, die Ausweglosigkeit, die Machtlosigkeit …

Und wenn du da ähnlich wie ich gestrickt bist, wirst du zwar merken, dass was nicht stimmt – aber denken, dass es an dir liegt. Wir sind wieder beim Perfektionismus. Und bei dir:

10 Punkte an denen du erkennst, ob du im Käfig des Perfektionismus feststeckst

In dieser Liste findest du die typischen Erkennungsmerkmale perfektionistischer Menschen. Treffen davon drei Punkte oder mehr auf dich zu, ist Perfektion ein (zu) großer Antreiber in deiner Arbeit.

  1. Deine größte Angst ist, bei einem Fehler „ertappt“ zu werden
  2. Du versuchst, Fehler zu vertuschen
  3. Die Angst vor Fehlern, nicht gut genug zu sein, nimmt beträchtlichen Raum ein und beeinflusst deine (beruflichen) Entscheidungen massiv
  4. Gutes, wertschätzendes Feedback erreicht dich irgendwie nicht. Du hörst es buchstäblich nicht, vergisst es sofort wieder – im Gegensatz zur Kritik, die du noch wochenlang mit dir rumschleppst
  5. Wenn dir jemand ein positives Feedback zu deiner Arbeit gibst, glaubst du es nicht oder denkst, derjenige macht sich über dich lustig
  6. Du feierst deine Erfolge nicht, sondern redest sie sogar klein „ich hatte auch Hilfe/ das war Glück“
  7. Du hast Angst, erledigte Aufgaben abzugeben, weil du das Urteil darüber fürchtest, drehst deswegen noch eine Korrekturschleife und noch eine und noch eine und …
  8. Du verlierst dich in Katastrophenszenarien „Wenn ich diese Mail jetzt so rausschicke, ärgert sich der Kunde, meldet das dem Chef, der wird dann sauer und brüllt mich vor allen anderen an, ich fange an zu heulen, kriege einen Nervenzusammenbruch und werden gekündigt“ – so in etwa …
  9. Du arbeitest am besten/schnellsten, wenn dir jemand „im Nacken“ hängt, also Druck macht – oder du dir das einfach vorstellst. Davon gibt es auch das Gegenteil: du arbeitest langsamer, weil dich deine Angst lähmt und du dich ständig rückversichern musst. Beides führen dich schnell an den Rand der Überforderung
  10. Du weißt, dass du beruflich mehr könntest, traust dich das aber nicht, da dann die Gefahr des Scheiterns steigt

 

Mit Perfektionismus stellst du dir selbst ein Bein

Und das ist die gute Nachricht: Es ist DEIN Perfektionismus, DEIN selbstgebauter Käfig. Du bestimmt und entscheidest darüber (auch, wenn es sich momentan vll noch nicht so anfühlt) Das bedeutet: Du kannst dich da auch selbst wieder rauslassen.

Heute noch!

Ja, wirklich: du kannst JEDEN MOMENT aussteigen.

Und genau ist das Bewusstsein, das ich dir heute mitgeben möchte:

  1. Es gibt immer mehrere Möglichkeiten
  2. Du hast immer die Wahl

 

Patientin (wieder) bei Bewusstsein?

Es ist entscheidend, dass dir klar wird, dass du mehrere Wahlmöglichkeiten hast. Momentan glaubst du vielleicht noch, dass du irgendwie abhängig, angewiesen bist: Auf das Lob deiner Vorgesetzten, auf Leistung als Schutzschild, auf deinen Job, egal wie unzufrieden du darin bist …

Um das hier abzukürzen: Nein, bist du nicht!

Ob du nun von Grund auf überzeugt bist, dass du irgendwie nicht so gut wie „die anderen“ wärst und / oder einen egomanischen Chef hast – deine persönliche Haltung ist der Schlüssel zu den Türen Selbstwert, (emotionaler) Unabhängigkeit und Augenhöhe.

Das ist etwas, was DU einbringen und verändern kannst.

Wie du schrittweise deinen Perfektionismus los wirst

 

  1. Finde Möglichkeiten!
    Statt Schwarz-Weiß-Denken oder Katastrophenszenarien zu entwerfen, kannst du dir jedes Mal mindestens 5 (!) Varianten/ „Schattierungen“ ausdenken, wie du noch handeln könntest. Wähle dann eine, die dich zwar leicht fordert, aber bei der es auch realistisch ist, dass du sie dann umsetzt. Wenn du bspw bislang immer gedacht hast „ich habe keine Wahl, ich muss mir jetzt stundenlang wieder die Monologe meines Chefs anhören, warum meine Arbeit nicht so toll ist“, kannst du nun 5 Alternativen entwerfen:
    Du hörst zu und gehst aktiv auf das ein, was dein Chef sagt, 2. Du tust so, als wenn du zuhörst, bist in Gedanken aber in Honolulu, 3. Du denkst dir eine Ausrede aus, warum du „jetzt gerade leider keine Zeit hast“, 4. Du sagst deinem Chef, dass du das nicht hören willst, 5. Du versuchst, gegen deinen Chef anzureden, mit deinem eigenen Monolog … es wären hier auch noch locker 5 weitere Varianten möglich! Du kannst ruhig ein wenig rumspinnen, das hilft dir, neue Wege zu finden
  2. Feiere deine Erfolge – und zwar auch die kleinen!
    Mach dir eine Liste mit Dingen, die du dann tun wirst, so stehst du im konkreten Fall nicht vor der Herausforderung dir was einfallen lassen zu müssen
  3. Trainiere es, Fehler zu machen.
    Such dir bewusst risikolose Situationen aus: Lass zu Hause einen Teller fallen, ruf eine unbekannte Telefonnummer an und entschuldige dich, dass du dich verwählt hast, schick eine Mail „aus Versehen“ an die falsche Kollegin (der Inhalt sollte natürlich belanglos sein). Auch hier hilft dir das Denken in Möglichkeiten.
  4. Konzentriere dich auf ein positives Ziel:
    Du willst gerne in etwas gut sein? Kann ich total nachvollziehen! Die Qualität, die im Perfektionismus steckt, ist die Expertise. Womit wir wieder ganz am Anfang wären. Und du dir die Frage stellen kannst: Worin möchtest du gut sein? Was möchtest du gut beherrschen, verfeinern, ausbauen? Welche Kompetenz, welche Inhalte und Ziele Ziele möchtest du beruflich gerne erreichen? Mach dir einen Plan, der obige Punkte (In Möglichkeiten denken, Erfolge feiern, Fehler machen) miteinbezieht, so dass du nicht wieder in die Perfektionismus-Falle tappst)

 

Grundsätzlich: Selbstwert fängt bei dir an! Es ist außerdem sehr hilfreich, wenn du selbst darauf achtest, dir ein unterstützendes Umfeld zu schaffen. Auch in deiner Arbeit.

Denn Selbst-Wertschätzung und Augenhöhe sind keine Einbahnstraßen! Du kannst auch „andersrum“ dazu beitragen. D.h. wenn du diese Faktoren in deiner Arbeit vermisst, dann frage dich doch mal, wie oft du selbst anderen dementsprechend begegnest.

Oder, um das Ganze mit schönen Worten abzuschließen: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir für die Welt wünschst“ (Gandhi)

 

Liebe Grüße,

Wiebke

 

P.S. Rechtschreibvehler sind in diesem Artikel natürlich Absicht 😉

 

P.S. Passend zu diesem Artikel:

Wie du mit Erwartungen umgehst – 2 Schritte für mehr Freiheit und Selbstbestimmung

Wie du 3 persönliche Stärken an dir entdeckst, die du noch nicht kennst

Mehr Selbstbewusstsein im Job (und Leben) – der 6-Punkte-Plan

 

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