Wie du aus deinen alten Mustern rauskommst, dich mit deinen Schwächen versöhnst und mehr dein Leben lebst

Vor zwei Wochen habe ich darüber geschrieben, dass ich in alte (Arbeits-)Muster zurückgefallen bin. Mit wenig Platz für mein restliches Leben. Genau das, was ich nicht mehr will: nur arbeiten und alles andere ist dem untergeordnet. Also habe ich etwas verändert, den Druck rausgenommen. Ich kann jetzt wieder mehr im Moment sein und mein Leben genießen.

Außerdem habe ich mich damit beschäftigt, warum mir das so schwer fällt, aus diesem Muster rauszukommen.

Ist doch eigentlich alles klar oder? Berufung finden und los geht das Traumleben!

Oder?

Warum falle ich, fallen wir, eigentlich immer wieder in alte Verhaltensmuster zurück? Wieso ist das so verdammt schwierig, an einer Veränderung dran zu bleiben? Schließlich will ich sie doch, die Veränderung!

Ich habe mich mal an Erklärungen versucht:

Die erste Erklärung ist …

Ich bin ein Arbeitstier.

Viel arbeiten, viel leisten liegt mir. Immer noch eine Schippe drauf legen, immer mehr tun als erforderlich. Nichts halbgares. Ordentlich was schaffen. Ich will was, ich kann was! Was bewegen! Manchmal arbeite ich auch um des Arbeitens willen. Ich genieße den Flow, das Gefühl, wenn alles läuft, wenn ich mich in einen regelrechten Rausch arbeite.

Das gute Gefühl, wenn ich mich so richtig reingehängt, ausgepowert, alles gegeben habe.

Kennst du bestimmt, oder?

… das ist aber noch nicht alles …

Die zweite Erklärung ist …

Arbeit ist meine Lieblingsstrategie.

D.h. dieses Verhalten wähle ich gerne und oft, um Probleme zu lösen. Quasi automatisch springt diese Strategie bei mir an. In diesem Fall ausgelöst durch Stress und Angst, wie beschrieben. Ja, ich kann Probleme im wahrsten Sinne des Wortes wegarbeiten. Wenn ich arbeite, ist alles wieder gut. Ich bin dann gut.

Arbeit war lange mein Leben – d.h. ich habe fast nur gearbeitet. Jahrelang hatte nur Sonntags frei – und da war ich zu müde, um irgendwas zu machen …

Diese Idee, mich über meine Arbeit zu definieren, ist früh bei mir entstanden. In meiner Familie ist Arbeit an sich ein echter Wert (wenngleich sich dieser auch gerade wandelt). Und klar, du kennst das: Unsere Gesellschaft ist darauf ausgerichtet (wenngleich sich auch hier was ändert – nur sehr langsam eben).

Meine Arbeit, das bin ich. Es hat halt einen gewissen Chic, ständig überarbeitet zu sein.

So ging‘s mir auch immer. Stolz, zufrieden mit mir und der Welt war ich immer nur so richtig, wenn ich etwas geschafft hatte.

Obwohl … Moment:

Auch dann war ich nie richtig glücklich – ich hätte es schließlich noch ein bisschen besser machen können.

Und überhaupt: Stolz sein? Auf mich selbst? Kann ich mir das erlauben? Muss das nicht jemand anderes für mich machen?

Ich suchte mir ständig die schwierigen Herausforderungen. Machte immer sehr viel. Im Studium wählte ich die komplexen Themen, ich arbeitete 6 Tage die Woche, machte viel Sport. Ich hatte Ansprüche an mich. Und trieb mich immer weiter. Pausen waren eher verboten – oder nur möglich, wenn wirklich gar nichts mehr ging.

Ich habe mich überfordert. Jahrelang nicht auf mich gehört. Gerade auch in einer Zeit, in der ich krank war.

Ich war jeden verdammten Tag erschöpft von meiner Arbeit.
Ich habe jeden verdammten Tag vieles dafür getan, dass man es mir nicht anmerkt.

Was ich vor allem gelernt habe, war mich zu verstecken. Mich zu schämen, dafür, dass ich nicht so viel kann, wie ich es für angemessen halte.

Warum tue ich das? Die dritte Erklärung ist …

Der Glaube, nicht genügend zu sein.

Der Versuch, das zu kompensieren, durch Leistung, durch Anerkennung. Durch andere.

Egal, was ich gemacht habe – ich war mir sicher, dass es nicht genug ist. Nicht gut genug. Nicht ausreichend.

„Ah ja, Perfektionismus!“, denkst du jetzt? Nein, irgendwie hat dieses Label nie auf mich gepasst. Perfektionistisch, also zu versuchen, etwas tadellos zu machen, war nicht mein Antrieb. Mein Motor war, KEINE FEHLER zu machen.

Da das nicht möglich ist, war ich ständig unzufrieden mit mir. Ich selbst konnte mir keine Wertschätzung geben – also versuchte ich, sie von anderen zu bekommen.

Das war ebenso frustrierend, denn es hat nie gereicht. Egal was sie sagten, dieses Gefühl von „unzureichend“ blieb. Tatsächlich ist es so, dass ich positive Feedbacks buchstäblich vergaß. Schon 5 Minuten später wusste ich NICHTS mehr davon. Kritische Rückmeldungen dagegen nagten tagelang an mir und zerfraßen jeden glücklichen Moment.

Die Crux an der Sache ist außerdem: Ich war so abhängig von anderen. Von deren Meinung. Von deren Anerkennung. Wenn man auf lobende Worte hofft („das hast du aber gut gemacht“), schafft das definitiv keine Augenhöhe!

Und dabei ist mir Unabhängigkeit und Selbstbestimmung so wichtig!

Ich stand zwischen zwei Bedürfnissen: Selbstbestimmung und Anerkennung. Ich entschied mich lange für die vermeintliche Anerkennung.

Bis ich verstand, was ich dafür aufgab. Und dass das so überhaupt nichts mit Selbst-Anerkennung zu tun hatte. Dass ich mich aufgab.

 

Die vierte Erklärung ist …

Ich habe Angst, Schwäche zu zeigen.

Niemand durfte sehen, wie es mir wirklich ging, wer ich wirklich bin.

Ich war ganz sicher: Wenn ich mich so ganz zeige, mit allem was mich ausmacht, mit all diesen „unperfekten“ Details, dann …

… würde das im „besten“ Fall niemanden interessieren = Ich würde uninteressant sein.

… würde das auf jeden Fall bedeuten, dass ich verletzlich bin = ich wäre angreifbar, das wackelige Fundament meiner Persönlichkeit könnte „zerstört“ werden.

… würde das im schlimmsten Fall bedeuten, dass niemand etwas mit mir zu tun haben möchte. = Ich würde allein sein.

Und jetzt, mit einer gewissen Distanz drauf geschaut, sehe ich: Ich war schon allein!

Wenn ich niemandem sagen kann, wie es mir geht, dann bin ich: Genau, EINSAM!

Ich habe mir mein „worst case“ vorsorglich selbst geschaffen …

 

Mein Fazit ist …

Für mich ist einmal mehr klar geworden, dass „seine Berufung leben“ ein Prozess ist. Und eine Herausforderung, weil sie mich immer mit mir selbst (hier: Mustern und vermeintlichen „Schwächen“) konfrontiert.

Und letzten Endes führt mich dieser Prozess immer zu einem:

Selbst-Annahme.

Denn in dem Moment, in dem ich erkenne, was hinter meinem Muster steckt, wovon es mich ablenkt, weiß ich auch, worum es mir geht. Dieses Selbst-Verständnis führt mich dann zur Selbst-Annahme.

Das ist gerade meine Herausforderung: Mir macht es Angst, gesehen zu werden. Mit meiner „Unperfektion“, mit meiner Verletzlichkeit.

Diesen Donnerstag startet meine neue Interview-Reihe „Die Berufungs-Talkshow“. Ich habe damit gekämpft, dass die ersten Videos nicht so perfekt, so „professionell“ geworden sind – ich mache öffentlich Fehler, bin aufgeregt und unsicher. Diesen Spiegel in Form der Videos vorgehalten zu bekommen, hat ein ganz schönes Kopfkino in Gang gesetzt – und mich in mein altes Arbeitsmuster fallen lassen. So brauchte ich nicht mehr darüber nachzudenken.

Ich habe mein erstes Video 2 Wochen lang nicht angerührt. Ich war so unzufrieden mit mir. Erst jetzt, indem ich mich mit meinen Gedanken zu „Unperfektion“ und Verletzlichkeit beschäftigt habe, kann ich anders darauf sehen. Mich annehmen, so wie ich da gerade bin. Und mir gestatten, Fehler als einen wichtigen Teil meines Lernprozesses zu sehen.

Was hat das jetzt mit dir zu tun? Ich möchte dir hier die Schritte aufzeigen, die mir geholfen haben, hinter mein Muster zu schauen:

1. Definiere dein Muster: Das ist ein Verhalten, bei dem du merkst, dass es dich einschränkt oder hindert, dass zu tun, was du eigentlich willst.
(in meinem Fall: krampfhaftes Arbeiten)

2. Betrachte dann dein Muster als eine Strategie, die dazu dient, dich zu schützen. Sie will dich von etwas ablenken, das du als schmerzlich empfindest.

2a. Frage dich dann: Wovon genau hält dich dein Muster ab?
(in meinem Fall: mich mit meiner Enttäuschung auseinanderzusetzen, dass die Videos nicht gleich so geworden sind, wie gewünscht und ich mich selbst verurteile)

2b. Welche vermeintliche „Schwäche“ oder „Fehler“ steckt dahinter, die du nicht sehen willst/kannst?
(in meinem Fall: „Unperfektion“ und Verletzlichkeit)

3. Worum geht es dir eigentlich? Was glaubst du, dir nicht erlauben zu können?
(in meinem Fall: mit meinen Videos rauszugehen und es mir zu erlauben, nicht alles sofort perfekt zu können)

4. Was brauchst du, um dich annehmen zu können?
(in meinem Fall: Mir bewusst machen, dass ich nicht perfekt, sondern authentisch sein will und ich mir meinen eigenen Lernprozess erlauben kann)

(Achtung: „Annehmen“ bedeutet nicht immer gleich „auflösen“ oder gar „verschwinden lassen“ – entscheide, was in welchem Tempo für dich richtig ist. Eventuell ist es erstmal ausreichend, einen Blick darauf geworfen zu haben und dein Bewusstsein dafür zu schulen.)

Tja, was meinst du dazu? Wie sind deine Erfahrungen im Zusammenhang mit Mustern und Veränderungen? Was sind deine Gründe, warum du in alte Muster zurückfällst?

Ich freue mich auf deinen Kommentar!

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