Eigentlich sollte an dieser Stelle ein Artikel zum Thema „Angst vor Veränderungen“ stehen. Der ist auch geschrieben und fein säuberlich abgelegt.
Dann habe ich gestern nochmal nachgedacht.
Darüber, wie es mir jetzt so geht. Nach ca. einem Monat online mit meiner Website. Sichtbar mit meiner Berufung.
Und einem massiven, selbstgemachten Druck!
Druck, erfolgreich zu sein. Druck, meine Reichweite zu erhöhen. Mehr Menschen anzuziehen. Mehr zu bewirken.
Dazu Zeitdruck, Abschlussdruck, Arbeitsdruck!
Ich will immer viel. Das ist eine Stärke von mir. Und eine Leidenschaft.
Und manchmal, so wie jetzt gerade, kippt das Ganze dann in Richtung Stolperstein.
Dann will ich nicht mehr, dann MUSS ich.
Ich habe mich in den letzten Tagen beobachtet. Immer war ich mit dem Kopf woanders. Wenn ich mit meinem kleinen Sohn zusammen war, bin ich gedanklich meine to do´s durchgegangen. Ich war schnell genervt. Wollte viel lieber arbeiten. Musste arbeiten. Am liebsten tage- und nächtelang. Und es wäre immer noch nicht genug gewesen.
Ich habe mich gefragt, wie es mir gerade geht.
Bin ich glücklich?
Nein.
Ich bin gestresst, gehetzt, und ja, auch ein bisschen verzweifelt.
Es läuft gerade NICHT so, wie ich es mir wünsche!
Denn eigentlich möchte ich ja meine Berufung leben. Ja, sogar meine Berufung 2.0, d.h. arbeiten UND leben, wie ich es möchte.
Das tue ich gerade nicht. Momentan arbeite ich nur. Und das ist nicht erfüllend.
Neben vielen anderen ist eines meiner zentralsten Bedürfnisse, Authentizität, nicht erfüllt.
Ich möchte so sein, wie ich bin. Ich möchte echt sein – auch für andere.
Wie kann ich Menschen nahebringen, sich für ihre Berufung zu entscheiden, wenn ich selbst das nicht lebe?
Dann bin ich genauso geworden, wie ich NICHT sein will. Das gibt’s schon tausendfach: Von oben herab ein paar gute Ratschläge geben, aber sich selbst nicht dran halten.
Genau das will ich nicht!
Ich will keine polierte, schöne Oberfläche bieten, auf der sich andere spiegeln können – ohne in Kontakt mit den jeweiligen tiefsten Wünschen und Bedürfnissen zu sein.
Ich möchte transparent sein. Nahbar. Menschlich. Ja, auch verletzlich.
Und mit genau solchen Menschen möchte ich auch im Kontakt sein.
Alles andere ist Zeit- und Lebensverschwendung.
Ich möchte präsent sein. Aufmerksam und wertschätzend, für mich und andere.
Ich möchte ein Leben, in dem Platz ist. Für mich. Für meine Familie. Für meine Freunde. Für Pläne: Wir wollen gerne mit unserem Sohn reisen. Wir wollen weitere Kinder. Ich möchte ortsunabhängig und flexibel arbeiten, so dass ich meine Arbeit auf meine Familie abstimmen kann. Und: Ich möchte immer weiter meine eigenen Möglichkeiten entdecken. Ich will andere dabei unterstützen, das zu tun. Da ist noch so viel! Es ist so aufregend! Es tut so gut!
Mir ist klar: Um das zu machen, bin ich weiterhin bereit, viel Arbeit zu investieren. Denn es ist mir absolut und total wichtig, meine Idee der Berufung 2.0 weiter mit Leben zu füllen! Das ist, was mich wirklich begeistert!
Und auch irgendwann zu merken, wann es gut ist. Wann es zu viel ist.
Das bedeutet für mich, mir immer wieder die Fragen zu stellen:
Wo stehe ich gerade?
Bringt mich mein aktueller Weg weiter zu mir selbst (oder führt er mich davon weg?)?
Bin ich glücklich damit?
Ich kann gut sehen, dass der Druck, den ich mir in den letzten Wochen gemacht habe, aus einer Mischung von Angst und Erwartungen entstanden ist.
Ich habe Existenzangst.
Dieses Abenteuer, meine Berufung zu leben, bedeutet eben, dass ich meinen sicheren Job gekündigt habe. Und im August endet meine Elternzeit.
Kein Einkommen mehr. Ich muss also Geld verdienen. Ich sollte auch dringend meine Newsletter-Abonnenten steigern. Ich muss mich um meine Facebook-Präsenz kümmern.
„Ich muss …“, „ich sollte …“, ich bin mittendrin im hausgemachten Erwartungsdruck. Da hatte ich doch neulich was zum Thema Erwartungen geschrieben … 😉
Also habe ich einen Realitätscheck gemacht: Was von meiner Angst, von meinen Erwartungen ist realistisch?
Tatsächlich ist es so, dass ich für ca. 3 Monate genügend Aufträge habe. Also bin ich bis November finanziell abgesichert.
Das hat mich durchatmen lassen.
Ein Blick auf die anderen Erwartungen zeigte mir:
Ich erwarte von mir tatsächlich eine 50%-Abschlussquote. Also jede zweite Coaching-Anfrage soll zum Erfolg führen.
Ein bisschen viel, oder?
Und ich konnte nochmal durchatmen.
Schließlich habe ich mich gefragt, was es mich kostet, mit diesem selbstgemachten Erwartungsdruck durch die Gegend zu rennen.
Tja, und das ist, wie schon beschrieben:
Authentizität
Selbstbestimmung
Freiheit
Erfüllung
Genuss
Achtsamkeit
Entwicklung
Und das sind – dafür brauche ich noch nicht mal in meine alten Unterlagen schauen – exakt die Bedürfnisse, weswegen ich hier bin.
Verrückt, oder?
Ich sitze im selben Hamsterrad wie vor meiner Kündigung. Nur diesmal selbstgebaut.
Deswegen halte ich jetzt an. Und steige aus. Käfigtür auf und raus ins Leben.
Heute sitze ich deutlich entspannter auf dem Sofa. Und schreibe. An diesem neuen Artikel. Den Morgen habe ich mit meinem Sohn verbracht. So wie bereits gestern konnte ich auf einmal wieder voll für ihn da sein. Offen sein, für seine Bedürfnisse. Zu spüren, wie ich ihn liebe. Meinem Mann nahe sein. Mich selbst spüren.
Merken, wie ich immer mehr an Klarheit gewinne. Die Sicherheit, dass ich auf dem richtigen Weg bin, statt mich im Kreis (oder Hamsterrad) zu drehen.
Und dann habe ich gemerkt, dass ich genau das zum Thema meines Artikels machen möchte. Das genau DAS das Thema ist.
Was ist meine Erkenntnis?
1. Es ist nicht immer leicht, seiner Berufung zu folgen. Es braucht Mut, Einsatz, Ausdauer und echt viel Arbeit. Und dann kann es sein, dass das eigentliche Ziel verloren geht.
2. Ich lande immer mal wieder in alten Mustern: Bei mir ist es dieses „aushalten und durchbeißen“. Ja, Durchhaltevermögen ist wichtig und wertvoll. Allerdings nicht, wenn das bedeutet, dass mein eigentliches Ziel (oder meine zentralen Bedürfnisse) so vollkommen aus dem Blickfeld verschwinden. Durchhalten ist kein Selbstzweck. Sondern ein Hinweis, dass ich gerade fremdgesteuert in alten Automatismen unterwegs bin.
3. Es geht darum, auszuprobieren. Ich kann nicht immer schon vorher wissen, ob mich mein gewählter Weg zum Ziel führt. Darum ist es wichtig, immer wieder anzuhalten und zu schauen, wo ich gerade stehe. Dabei braucht es Ehrlichkeit, wenn es nicht mehr stimmig für mich ist. Um dann ggfs. die Richtung zu korrigieren.
4. Egal, was passiert: Ich mache gerade eine wertvolle Erfahrung. Ich habe mich verirrt auf meinem Weg zum Ziel? Wunderbar! Denn:
Ich habe gemerkt, dass mein Weg gerade nicht mehr stimmig ist = ich bin aufmerksam und ehrlich mit mir.
Ich habe gerade rausgefunden, was für mich NICHT passt und worauf ich achten möchte.
Ich habe mir erlaubt, „Fehler“ zu machen – und das als eine Erfahrung anzusehen.
Ich habe jetzt die Möglichkeit, einen weiteren Schritt hin zu mir selbst zu machen und einen neuen Weg auszuprobieren.
Großartig, oder?
Was denkst du? Kennst du das? Ist dir selbst schon Ähnliches passiert? Und was hat dir dann geholfen?
Ich freue mich wie immer über Kommentare!